Globaler Wettbewerb und rasanter technologischer Wandel zwingen Unternehmen, Innovationen auf den Markt zu bringen, um ihren Wettbewerbsvorteil aufrecht zu erhalten. Die Innovationsfähigkeit eines Unternehmens steht in enger Beziehung zu den F&E-Aktivitäten, welche das Ziel haben die Produktivität, Qualität und Leistungsfähigkeit des Unternehmens zu steigern. Kein Unternehmen schafft es jedoch alleine mit der Geschwindigkeit der technologischen Entwicklung langfristig Schritt zu halten. Externe Wissensquellen und grenzüberschreitende Netzwerke sind deshalb von größter Bedeutung für die Entwicklung von neuen Produkten und Prozessen. Durch Innovationsnetzwerke können Akteure Wissen und Erfahrung auf einfachem und kostengünstigem Weg austauschen. Abgesehen von den Lern- und Innovationseffekten für die einzelnen Unternehmen spielen Innovationsnetzwerke auch eine wichtige Rolle in der Gesamtentwicklung und Integration von Volkswirtschaften. Ann-Lee Saxenian (2006) diskutiert das alte Kern-/Peripherie-Modell der wirtschaftlichen Entwicklung mit einem neuen Ansatz, welcher den Wissenstransfer von Kern- zu Randregionen durch sogenannte Wissensmigration und „commuting entrepreneurs“ (= Pendlerunternehmer, transnationale Unternehmer) hervorhebt. Die „commuting entrepreneurs“ lassen durch ihr wirtschaftliches Engagement Innovationsnetzwerke zwischen dem Zentrum und der Peripherie entstehen.
Die türkisch-deutsche Migration bietet eine Vielzahl an Möglichkeiten, durch Wissensmigration Innovationsnetzwerke aufzubauen und von diesen zu profitieren. Bislang gibt es noch keine Studie, welche die Innovationsnetzwerke zwischen türkischen und deutschen Akteuren und Institutionen eingehend erforscht. Das Projekt fügt die Literatur über Innovationsnetzwerke und Wissensmigration zusammen, um daraus politische Schlussfolgerungen ableiten zu können, die darauf abzielen das gegenseitige Lernen und den Wissensaustausch zwischen der Türkei und Deutschland zu verbessern.
Das TGIN Forschungsprojekt untersucht die Wissensflüsse und die Wissensmigration zwischen der Türkei und Deutschland, indem es die Innovationsnetzwerke von türkischen und deutschen Firmen bzw. Forschern in diversen Sektoren, wie zum Beispiel in der Automobilindustrie, im Maschinenbau, der Mode- bzw. Designindustrie, in der Biotechnologie und der Wissenschaft, aufdeckt und analysiert. Die historisch gewachsenen Beziehungen beinhalten ein enormes Potential für wissens- und innovationsgesteuerte Dynamiken, die in hohem Maße zum wirtschaftlichen Wohlstand in beiden Ländern beitragen können.
Das Projekt hat insbesondere folgende Ziele:
- Messung und Visualisierung von Innovationsnetzwerken zwischen türkischen und deutschen Akteuren (Firmen, Wissenschaft, Regierung).
- Darlegung der strukturellen und kompositionellen Merkmale der Lernmuster, des Wissenstransfers und der sozialen Integration zwischen türkischen und deutschen Firmen und Organisationen.
- Erfassung der Unterschiede von sektoralen Innovationsnetzwerken in Abhängigkeit von verschiedenen Wissensbasen.
- Identifikation der Schlüsselakteure innerhalb der Netzwerke und die Beschreibung der Aufgaben, die diese innerhalb des Netzwerkes inne haben.
- Analyse der Rolle der „commuting entrepreneurs“ (d.h. der Akteure die zwischen dem Zentrum und der Peripherie hin und her pendeln) für den Aufbau und die Leistungsfähigkeit von türkisch-deutschen Innovationsnetzwerken.
- Analyse der Ego-Netzwerke dieser Schlüsselakteure. Wie haben diese Akteure soziale Netzwerke aufgebaut und wie nutzen sie diese, um Wissensflüsse, Innovationen und Wettbewerbsfähigkeit zu fördern?
- Wie entstehen erfolgreiche Innovationsnetzwerke durch individuelles und kollektives Handeln?
- Offenlegung von Faktoren, die das Auftreten von Innovationsnetzwerken behindern bzw. unterstützen.
- Wie können periphäre Regionen durch Innovationsnetzwerke Rückstände aufzuholen?
- Ableitung von politischen Schlussfolgerungen für die Förderung von Innovationsnetzwerken.
Unsere Motivation und das Hauptziel unserer Arbeit ist es einen Beitrag zur wirtschaftlichen und sozialen Integration und zum Technologietransfer zwischen der Türkei und Deutschland zu leisten. Das Projekt wird einen Einblick in Theorie und Praxis geben zu: (i) wie sind die Netzwerke auf beiden Seiten aufgebaut, (ii) welche Engpässe müssen überwunden werden, (iii) welche Stärken sollten gefördert und welche Chancen sollten genutzt werden. Sobald wir die strukturellen und dynamischen Merkmale von Netzwerken kennen, sind wir in der Lage, negative Entwicklungen zu vermeiden, Erstarrungen zu beheben und Wissensflüsse zu steigern. Beide Länder können von einer besseren technologischen Integration und einem besseren gegenseitigen Verständnis profitieren. Eine größere technologische Integration ist auch ein wesentlicher Schritt hin zu mehr sozialer Integration zwischen der Türkei und Deutschland und stärkt den Integrationsprozess in der EU. Daher profitieren beide Seiten von einem besseren Verständnis der Deutsch-Türkischen Innovationsnetzwerke.